LOCATION/TYPE

NEWS HOME

[ exact phrase in "" • results by date ]

[ Google-powered • results by relevance ]


Archive
RSS

Add NWW headlines to your site (click here)

Get weekly updates

WHAT TO DO
when your community is targeted

RSS

RSS feeds and more

Keep Wind Watch online and independent!

Donate via Paypal

Donate via Stripe

Selected Documents

All Documents

Research Links

Alerts

Press Releases

FAQs

Campaign Material

Photos & Graphics

Videos

Allied Groups

Wind Watch is a registered educational charity, founded in 2005.

News Watch Home

Wer Windräder sät, wird Sturm ernten | He who sows wind turbines will reap the whirlwind 

Credit:  Von Dankwart Guratzsch | Die Welt | 18.07.14 | www.welt.de ~~

Verzweifelt kämpfen Pfälzer gegen die Aufstellung von 200-Meter-Masten, die höher als der Kölner Dom sind. Die Generalplaner der Energiewende haben die Naturschutzgedanken in der Provinz unterschätzt.

Die Straße schraubt sich in zahllosen Windungen immer höher in den Wald hinauf. In einer Rechtskurve sagt Ernst Gerber, Diplomkaufmann aus Annweiler: “Dort unter den Bäumen liegt mein Vater. Und da liege ich auch einmal. Jetzt wissen Sie, wofür mein Herz schlägt.” Noch höher oben, auf einem Waldparkplatz, zweigt ein Fußweg zum 610 Meter hohen Weißenberg ab. Wanderer kommen entgegen. Gerber strebt an ihnen vorbei zum Gipfel. Dort reckt der zu Kaisers Zeiten erbaute Luitpoldturm seinen grauen Schaft hoch über die Wipfel. Der Rundblick von der Plattform ist atemberaubend.

Wogende Gebirge, tiefgrüne Wälder bis an den Horizont. Die Unesco hat der Landschaft Pfälzerwald/Nordvogesen das Naturschutzsiegel eines Biosphärenreservats verliehen. Es war das erste grenzüberschreitende Schutzgebiet dieser Art in ganz Europa, denn auch die Elsassberge schließt es ein. Nicht vielen Deutschen wird bewusst sein, dass es eine so große unzerschnittene Landschaft in Mitteleuropa überhaupt noch gibt.

Wer es noch erleben will, muss sich beeilen. Kurt Wagenführer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Annweiler, und die Energie Südpfalz wollen auf den Kämmen des Gebirges 40 Windräder postieren. Hinzu kommen weitere 20 Windmaschinen anderer Investoren. Jede rund 200 Meter hoch, höher als der Kölner Dom. Ernst Gerber markiert mit ausgestrecktem Arm die Fixpunkte über dem grünen Meer, wo die grell blitzenden Riesen mit den um sich schlagenden 60 Meter langen Armen platziert werden sollen. Nabenhöhe: 149 Meter. Flügelspannweite: 120 Meter. “Dort fünf, dort sechs, dort weitere zehn … ” Don Quixote, wenn er in den Pfälzerwald kommt, muss es nicht mit versprengten Rittern, sondern mit Bataillonen aufnehmen.

Alle zehn Umweltverbände kämpfen dagegen

Die Idee, den Pfälzerwald zu einer Energieplantage umzubauen, ist älter als zwei Jahre. Doch schon im November 2012 konnte Bernd Wallner vom Pfälzerwald-Verein vermelden, “dass sich erstmals alle zehn Umweltverbände zusammengeschlossen haben, um gemeinsam gegen die Aufstellung von Windrädern im Pfälzerwald vorzugehen”. Man rechne mit Fremdenverkehrsverlusten von bis zu 15 Prozent.

Damals war Ernst Gerber noch nicht dabei. Inzwischen ist der 65-Jährige an die Spitze des Fördervereins Initiative Pro Pfälzerwald gewählt worden und hat eine Faktensammlung zusammengetragen, die das Zeug dazu hat, zum “Kleinen Katechismus” der Anti-Windkraft-Bewegung weit über die Pfalz hinaus zu werden. Und die kommt jetzt bundesweit erst so richtig in Gang. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

Der diplomierte Kaufmann hat ausgerechnet, dass die neuen Windkraftanlagen das Wahrzeichen der ganzen Region, den Hauptturm der Barbarossaburg Trifels, um das Fünffache überragen: “Die Maschinen werden immer gewaltiger und immer gewalttätiger gegen Mensch und Natur.”

Nicht nur, was die Landschaftsästhetik betrifft. Ein einziges Rotorblatt wiege 60 Tonnen und müsse auf mit Schotter befestigten Wegen quer durch die Wälder gewuchtet werden. Für jedes einzelne Windrad würden 3000 Tonnen Beton und 100 Tonnen Stahl verbaut. Um den Mastenwald der 200 Meter hohen Giganten in die unberührte Landschaft zu pflanzen, müssten 200.000 Tonnen Beton aufgewandt und 130.000 Kubikmeter Schotter herangekarrt werden – ein Materialbedarf, der nur mit 60.000 Schwerlastfuhren zu bewältigen sei.

Die Folgen werden offenbar vertuscht

Was den Geschäftsmann erbost, das ist die Vertuschung der Folgenabschätzung durch die Verwaltung. Niemand lege den Anwohnern offen, was der Preis ist, den der Biosphärenwald zu zahlen hat. Er müsse nicht nur die Verbrennungsabgase von 600.000 Liter Diesel verkraften, sondern auch noch Rodungen auf 850.000 Quadratmetern unberührter, unzerschnittener Waldfläche – für jedes einzelne Windrad 500 Quadratmeter.

Und die Riesenmühlen sind kein Riesenspielzeug, das schon bald wieder in den Tiefen des Waldes versinkt: Die Zufahrtspisten müssen für Wartung und Betrieb dauerhaft offen gehalten, die Standorte mit Metallgittern und Stacheldraht gegen ungebetene Besucher weiträumig abgesperrt werden. Ein Waldzerstückelungsprojekt.

Hat man das Bild der im Flachland friedlich und im Gleichmaß vor sich hin mahlenden Mühlen vor Augen, müssen Ressourcenverbrauch und Größenverhältnisse der neuen Mühlengeneration erschrecken. Optisch erreichen die Riesenmühlen fast die halbe Höhe der Vorderberge des Pfälzerwaldes. Ein 200-Meter-Windrad, auf die vorgelagerten Rebenhügel der Weinstraße gestellt, würde mit seinen Flügeln bis in die Höhe des Hambacher Schlosses, des Symbolbaus der deutschen Demokratiebewegung, hinaufreichen, ein Windrad in Bad Dürkheim den Teufelsstein, Hausberg dieser Stadt, um 15 Meter überragen.

Energie als Höllenfeuer, das Lebensgrundlagen bedroht

Die wie auf Samtpfoten daherkommende Energiewende erweist sich hier als geradezu gewalttätiges Projekt. Eigentlich wusste man es schon immer. Energie ist die Kraftquelle der Industrie und des Wohlstands – aber überall, wo sie von der Natur Besitz ergreift, wird sie zum Höllenfeuer, das nicht nur Kräfte entfesselt, sondern auch die natürlichen Lebensgrundlagen bedroht.

Das mussten zuerst die Ortschaften erfahren, die für die Braunkohle weggebaggert wurden oder, wie an Ruhr und Saar, auf der Zeitbombe nachgebender Steinkohlestollen sitzen. Das mussten die Wälder erleiden, die im sauren Regen siechten und flächig abzusterben drohten. Das offenbarte sich beim Zusammenbruch des technischen Managements der Kernkraftwerke von Tschernobyl und Fukushima.

Das lauert in Abklingbecken und Castor-Behältern als das noch immer ungebändigte Gespenst des Atommülls. Das kriecht in Gestalt der Energiepflanzen über den Erdball und lässt, wo sie angebaut werden, die Wälder und die Ernährungsbasis schrumpfen. Und das beunruhigt nun auch die Dorfbewohner am Rande jener riesigen Windparks in den Mittelgebirgen, die überwiegend noch immer nur auf dem Papier stehen und politisch noch längst nicht durchgesetzt sind. Hier geht es nicht nur um Wind und Strom, sondern zugleich um so schwer messbare Güter wie Heimat, Identität, Schöpfung, Lebensstil.

Begehrlichkeit auf letzte Naturrefugien

Betroffen sind überall Ortschaften, so klein, dass keiner sie kennt. Denn die Ausschlusskriterien für Windräder – Rentabilitätsschwelle, Mindestabstand zu Siedlungen, Straßen, Krankenhäusern, Flugplätzen, Kulturstätten, Naturschutzgebieten et cetera – bewirken, dass typischerweise nur 0,5 bis zwei Prozent der Fläche der jeweiligen Bundesländer für die Aufstellung von Windmühlen genutzt werden können. Deshalb richtet sich die Begehrlichkeit der Energieerzeuger auf die Nischen – und damit auf die letzten unberührten Naturrefugien überhaupt. Und so gesehen wandeln sich die zwei Prozent Landesfläche im Nu auf 20 Prozent und mehr. Denn jedes Windrad, das auf einen Berg gestellt wird, sieht man 20 Kilometer weit.

Sechs Herren in T-Shirts und offenen Hemden sitzen um den runden Tisch im Biergarten von “Müllers Lust” und halten anklagend ihre kleinen Papierprospekte hoch: “Naturpark Pfälzerwald”. Vier von ihnen haben die Bürgerinitiative Hofstätten gegründet. Brummen die Riesenmühlen dem stillen Tal bald die Todesmelodie?

Das Hundert-Seelen-Dorf Hofstätten oberhalb Annweilers ist ein Touristenmagnet, weil es so abgeschieden und idyllisch in den Wäldern liegt. Damit soll es bald vorbei sein. “Unser Tal wird von Windrädern umzingelt”, sagen die Männer und zitieren den “Bergkönig” Reinhold Messner: “Alternative Energiegewinnung ist notwendig, aber dort unsinnig, wo sie zerstört, was man bewahren will.”

Keiner würde Windräder am Ayers Rock aufstellen

Es sind schlagkräftige Argumente, mit denen die Pfälzer da aufwarten. Ihr Wald spiele “in einer Liga mit dem Ayers Rock in Australien, der Serengeti in Afrika und den Niagarafällen in Kanada, die ebenfalls ganz oder teilweise Biosphärenreservate sind, wo aber keiner auf die Idee kommen würde, Windkraftanlagen aufzustellen”, hat ihnen Martin Waldhausen bescheinigt, er ist Referatsleiter im Bundesumweltministerium und Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees für das Unesco-Programm “Der Mensch und die Biosphäre (MAB)”.

Aber genau eine solche Idee soll hier umgesetzt werden. Im Süden auf der Hügelkette, mitten im dunklen Tann, will die Stadt Annweiler in Sichtweite des Dorfes zehn flügelschlagende Monster aufstellen, auf dem Langerkopf im Norden und auf dem Bergkranz im Osten des Dorfes kämen 30 weitere 200-Meter-Mühlen dazu, wie die Männer berichten. Annweiler? Das sieht man doch von hier oben aus gar nicht. “Natürlich nicht”, schallt es aus der Runde zurück. “Aber die haben hier Waldbesitz. Und weil sie selbst die Räder nicht vor der Nase haben wollen, stellen sie sie an unsere Gemarkungsgrenze.”

Es gibt noch einen anderen handfesten Grund für die Pläne. Mit jedem Windrad generiert der Betreiber auf dem Papier je nach Standort und Windhäufigkeit pro Jahr zwischen 40.000 und 80.000 Euro Gewinn. Die Zahlen werden auf der Basis einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 75 Prozent ermittelt. Ernst Gerber hält dieses Rentabilitätsversprechen, mit dem Investoren und Gemeindevertreter geködert werden, allerdings für eine Milchmädchenrechnung: “Trotz Subventionen bewegen sich die Dinger an der unteren Rentabilitätsgrenze.”

Unterm Strich bleiben Miese pro Windrad

Bei einem Kaufpreis pro Windkraftanlage von sechs Millionen Euro kommt der Betriebswirt unter Abzug von Betriebskosten, Zinsen, Abschreibung und Pacht auf Gesamtkosten von 580.000 Euro pro Windrad und Jahr. Das könne mit 3000 Volllaststunden und 6,8 Millionen Kilowattstunden Stromerzeugung bei einer Einspeisevergütung von 600.000 Euro zwar gerade so hereingeholt werden. Lege man aber die von den Banken geforderte Eintrittswahrscheinlichkeit von 90 Prozent zugrunde, blieben unter dem Strich 40.000 Miese.

Warum gerade hier, in einem der “windschwächsten Gebiete Westeuropas”? An der See, so hat der Geschäftsmann ausgerechnet, “haben wir bei doppeltem Wind und geringeren Kosten die achtfache Ausbeute. Der Pfälzerwald könne mit anderen Vorzügen aufwarten. “Wir generieren im Tourismus 800 Millionen Euro im Jahr. Bei nur fünf Prozent Umsatzverlust durch die Industrialisierung der Landschaft verlieren wir aber jährlich 40 Millionen. Lasst uns unsere Lebensgrundlagen!”

Der Kampf gegen Windmühlenflügel ist kein Donquichottismus gegen neue Technologien, sondern in den Augen der Betroffenen Heimatwehr. Und genau so versteht auch Rainer “Radi” Becker vom 1. Sportverein 1926 Wolfenhausen bei Weilmünster im hessischen Hintertaunus seinen Einsatz: “Viele Menschen wollen sich nur nicht ihre Heimat verschandeln lassen. Nicht zu diesen völlig unüberlegten und chaotischen und ausschließlich monetär bestimmten Bedingungen. Schließlich ist der deutsche Wald emotional ähnlich besetzt wie Vater Rhein.”

Vogelverluste an Windenergieanlagen

Beckers Bürgerinitiative hat sich im Internet den programmatischen Namen “Windkraftanlagen – eine Frage des Standorts” gegeben und führt den Kolkraben als Logo im Schilde. “Laut Liste Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland, Daten aus der zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte, Stand vom 7. Oktober 2013 wurden 19 dieser Tiere erschlagen aufgefunden”, erläutert die Homepage des Vereins. Für die mächtige HGON (Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz) eine Horrorbilanz.

Die Begehrlichkeit nach Windkraftanlagen hat zwischen Heimat- und Naturschützern, Menschen- und Vogelfreunden, Grünen und Grünen tiefe Gräben aufgerissen. Becker sagt es mit ehrlichem Groll: “Erschreckend dabei ist, dass genau diejenigen, die jahrzehntelang erfolgreich um Standards beim Artenschutz gekämpft haben und am liebsten jede Kröte einzeln und persönlich über die Straße getragen hätten, nun scheinbar bedenkenlos Industrieparks bauen wollen, wo zuvor keine Bretterbude genehmigt worden wäre.”

Auch in Weilmünster kämpfen nicht ausschließlich engagierte, sondern auch äußerst fach- und sachkundige Bürgervertreter gegen den Landschaftsumbau. Becker: “Wir fühlten uns vom Bürgermeister und den zuständigen Gremien übergangen, zu spät oder gar falsch informiert. Um die Zustimmung zu dem geplanten Projekt, das sich zwischen Hartmannsholz und Haintchen/Hasselbach erstreckt und insgesamt 13 Windräder umfassen soll, zu verhindern, haben wir in beiden Ortsteilen 1700 Unterschriften gesammelt, dem Bürgermeister übergeben und die Gemeindevertreter entsprechend informiert.”

Verstoß gegen Artenschutzabkommen

Zusätzlich habe man ein eigenes avifaunistisches Gutachten anfertigen lassen, das ein “erhebliches artenschutzrechtliches Konfliktpotenzial” im Hinblick auf die windkraftrelevanten Arten bescheinigt. Für Becker ist klar, dass “der Bau der Windkraftanlagen eindeutig gegen die geltende Gesetzgebung und das internationale Artenschutzabkommen verstößt”.

Felix Arnold im Odenwald dagegen hat noch einen ganz anderen Verdacht. Für den Industriedesigner aus Hirschhorn am Neckar und die Bürgerinitiative “Greiner Eck”, die sich für die gleichnamige Hochlandidylle im südlichsten hessischen Gebirge in die Bresche wirft, sind Kapitalverflechtungen bis hin zu Energieerzeugern in Luxemburg schuld daran, dass Windkraftanlagen im Odenwald aus rein kommerziellen Interessen ohne Rücksicht auf die Anwohner errichtet werden.

Dass den Projektträgern Pachtgebühren von monatlich 960 Euro für die Industrienutzung eines Areals von 700.000 Quadratmetern Erholungslandschaft praktisch zu Ramschpreisen angeboten werden, hält er für eine gezielte Übervorteilung der Bürger in den Anliegergemeinden.

Die Anlage soll im Schutzgebiet stehen

Wieder geht es um einen Windpark in Schutzgebieten. Der vorgesehene Standort Grein im Odenwald liegt mitten im Flora-Fauna-Habitatgebiet Odenwald bei Hirschhorn, dicht neben zwei weiteren eingetragenen FFH-Gebieten und einem Natura-2000-Gebiet. Nichtsdestotrotz sollen hier sechs Windkraftanlagen entstehen – für Arnold genau sechs zu viel.

Politisch ist das Projekt ein Sonderfall, denn grenzüberschreitend sehen sich das schwarz-grün regierte Hessen und das grün-rot regierte Baden-Württemberg betroffen. Und die sind über die Qualität eines Gutachtens durchaus nicht einer Meinung. Das wurde im Auftrag der Energiebetriebe erstellt und stellt für den Windpark eine Unbedenklichkeitserklärung aus.

Wer schon einmal den Wortlaut derartiger Gutachten studiert hat, kann sich der Überzeugungsmacht der Argumente kaum entziehen. Noch nie in der Geschichte wurde mit so viel detektivischem Spürsinn und biologischer Detailkenntnis den Regungen, Ansprüchen und Lebensgewohnheiten von Naturwesen aufgelauert, wie es das Anforderungsprofil derartiger Expertisen verlangt.

Das wegen der Beteiligung hessischer Firmen durchaus nicht gleichgültige Regierungspräsidium Darmstadt (Hessen) sah umso mehr in einer verblüffend eilfertig schon nach zwei Wochen erteilten Stellungnahme denn auch keinen Grund, die Schlussfolgerungen des Gutachtens nicht für “nachvollziehbar” zu halten. Das Vorhaben, sprich: die Aufstellung der Windräder, stehe den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes nicht entgegen.

Der Dissens der Ämter in zwei Bundesländern

Ganz anders das aufmerksame Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis (Baden-Württemberg), das sich für das Studium der Expertise vier Monate Zeit nahm und dann zu dem Schluss kam: “Das Ergebnis, dass keine negativen Auswirkungen auf die charakteristischen Vogel- und Fledermausarten im Gebiet selbst zu erwarten sind, können wir nicht nachvollziehen, zumal … beschrieben wird, dass intensive Untersuchungen vor Ort noch im Gange sind. Auch enthält die FFH-Verträglichkeitsstudie keine Aussagen zu Untersuchungen auf mögliche Wanderkorridore und ein mögliches Kollisionsrisiko z. Bsp. für die Fledermausart Abendsegler.”

Der Dissens der Ämter wirft kein vorteilhaftes Licht auf die Verfahrenspraxis. Ist die Genehmigungsfähigkeit von technischen Anlagen abhängig von Interessen statt von umfassender Recherche und kritischer Gegenprüfung, stehen Tür und Tor sperrangelweit für Beeinflussungsversuche offen.

Dabei wird eine weitere Schwäche der Windenergieplanung offenbar: Die gesetzlichen Grundlagen für FFH- und Natura-2000-Gebiete erfassen zwar, ob eine “Mopsfledermauskolonie in einem Eichenbestand nördlich des Schadeck bei Neckarsteinach” tangiert ist – die Lebensbedingungen und Landschaftsansprüche des Naturwesens Mensch aber berücksichtigen sie nicht.

Das Zugpferd der Energiewende

Gerade erst hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Bonn seine Studie Windenergieanlagen und Raumordnungsgebiete publiziert. Untersucht wird darin mit eindrucksvollem Kartenmaterial und handfesten Statistiken, was die Regionen in Deutschland an “planungsrechtlich gesicherten Flächen” für die Windenergie vorweisen können, wie sich die Anlagen auf die Regionen verteilen, wie dicht sie stehen und welche Leistung installiert wurde. Die Windenergie, so wird festgestellt, “ist das Zugpferd der Energiewende”.

Eine Zwischenbilanz, die sich sehen lassen kann. In den letzten anderthalb Jahrzehnten, so das Papier, hätten jährlich rund 2000 Megawatt Windstrom neu installiert werden können. 2013 habe sich das Wachstum sogar noch “rasant beschleunigt”, rechnerisch um die Leistung von drei Atomkraftwerksblöcken. Nun aber hänge alles “von der Angebotsplanung öffentlicher Planungsträger ab”.

Aber gerade die stößt offenbar an eine vorher nicht bedachte, in den Mittelgebirgen schärfer als in den Weiten der Tiefebene wahrgenommene Grenze. So bewundernswert aufgeklärt und klar in den Aussagen die allenthalben erstellten Gutachten und Unbedenklichkeitsatteste sind, das Landschaftsbild als maßstabsetzende Kategorie kommt darin nicht vor.

Das Versäumnis könnte noch teuer werden

Selbst in hohen und höchsten Amtsstuben scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass hier das Bundesnaturschutzgesetz zu konkreten Festlegungen gelangt, die auch dort eingeklagt werden können, wo Mopsfledermaus und Kolkrabe nicht betroffen sind, sondern nur ihr mit eigenen Lebensrechten und Ansprüchen ausgestatteter Gevatter Mensch.

Die Generalplanung der Energiewende in allen Ehren – dieses Versäumnis könnte noch teuer zu stehen kommen. Denn natürlich können zwar kommerzielle Interessen, aber kaum zwingende technische oder energiepolitische Gründe dafür angeführt werden, die Maschinenparks der Energiewende ausgerechnet in industrieferne unzerschnittene Landschaftsräume von hoher ästhetischer Qualität zu verlegen.

Deren Ausnahmecharakter ist allein schon dadurch belegt, dass ihnen der Charakter von Naturparks, Naturschutzgebieten, Biosphärenreservaten und Natura-2000-Zonen amtlich zuerkannt wurde. Und so kann die Energiewende sogar noch bewirken, was keineswegs beabsichtigt war: eine Wiederbelebung des Naturschutzgedankens, der lange Zeit von der Vormacht der Ökologiepolitik in den Hintergrund gedrängt worden war. Für manche unwiederbringliche Landschaft zu lange.

Source:  Von Dankwart Guratzsch | Die Welt | 18.07.14 | www.welt.de

This article is the work of the source indicated. Any opinions expressed in it are not necessarily those of National Wind Watch.

The copyright of this article resides with the author or publisher indicated. As part of its noncommercial educational effort to present the environmental, social, scientific, and economic issues of large-scale wind power development to a global audience seeking such information, National Wind Watch endeavors to observe “fair use” as provided for in section 107 of U.S. Copyright Law and similar “fair dealing” provisions of the copyright laws of other nations. Send requests to excerpt, general inquiries, and comments via e-mail.

Wind Watch relies entirely
on User Funding
   Donate via Paypal
(via Paypal)
Donate via Stripe
(via Stripe)

Share:

e-mail X FB LI TG TG Share


News Watch Home

Get the Facts
CONTACT DONATE PRIVACY ABOUT SEARCH
© National Wind Watch, Inc.
Use of copyrighted material adheres to Fair Use.
"Wind Watch" is a registered trademark.

 Follow:

Wind Watch on X Wind Watch on Facebook

Wind Watch on Linked In Wind Watch on Mastodon