January 15, 2014
Germany

Lightning strikes, breaks off tip of new wind turbine blade

Von Katja Rudolph, hna.de, 05.01.14

Stück vom Rotor abgebrochen: Blitz schlug in neues Windrad in der Söhre ein

© HNA/Schachtschneider

© HNA/Schachtschneider

Söhrewald/Kassel. In ein Windrad des neuen Windparks in der Söhre hat am Wochenende der Blitz eingeschlagen. Dabei wurde ein Rotorblatt beschädigt. Ein etwa drei bis fünf Meter langes Stück des Flügels brach ab und fiel herunter.

Der Windpark auf dem Warpel ist erst vor wenigen Wochen fertig geworden. Jetzt fragen sich viele Menschen, wie sicher die neue Windkraftanlage ist. Sie ist die erste dieser Größe im Raum Kassel.

Höhe des Schadens unklar

Zur Höhe des Schadens und zur Ursache des Blitzschlags konnten die Städtischen Werke am Wochenende noch keine Angaben machen. Eigentlich hätte der Unfall so nicht passieren dürfen, denn die Anlagen sind mit speziellen Blitzableitern ausgestattet. Das heißt, wenn der Blitz einschlägt, wird der Strom kontrolliert in die Erde abgeleitet, sodass er keinen Schaden anrichten kann. Das Schutzsystem hat bei dem Gewitter am späten Freitagabend aber offensichtlich nicht funktioniert.

Techniker der Herstellerfirma Vestas schalteten am Samstagvormittag das beschädigte Windrad ab und begannen mit der Ursachenforschung, teilte Ingo Pijanka, Sprecher der Städtischen Werke Kassel mit. Diese betreiben den neuen Windpark. Noch sei die Ursache für das Versagen des Blitzschutzes völlig unklar, sagte Pijanka am Wochenende. Die Untersuchungen müssten zeigen, ob möglicherweise ein Defekt vorlag oder ob es sich um einen außergewöhnlichen Blitz handelte.

Letzteres könne durchaus sein, sagte der Kasseler Professor Albert Claudi, Experte für Hochsprannungstechnik, auf Anfrage der HNA. Die Blitzableiter in Windrädern seien nur bis zu einer bestimmten Stromstärke ausgerichtet, die bei mehr als 99 Prozent aller Blitze nicht überschritten werde. Sollte sich nicht herausstellen, dass die Technik defekt oder falsch installiert war, habe es sich vermutlich um einen extrem starken Blitz mit mehr als 100.000 Ampere gehandelt. Zum Vergleich: Ein Fön oder Rasierer hat weniger als ein Ampere.

Geringes Restrisiko

Der Einschlag solcher stromstarken Blitze werde bei technischen Anlagen wie Windrädern oder Hochspannungsleitungen als geringes Restrisiko in Kauf genommen. Denn sich auch vor solchen Ausnahmeblitzen mit entsprechenden Ableitern zu schützen, sei unverhältnismäßig teuer. Weil diese Fälle so selten sind, ist es daher statistisch gesehen günstiger, die Kosten für den Schaden einzukalkulieren.

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Blitzeinschlag legte Windrad lahm: Ursache für Einschlag noch unklar

Söhrewald/Kassel. Als das Gewitter vorbeigezogen war, dachte Falk Kalinowski aus Wellerode erst, am Dach seines Hauses sei vielleicht etwas kaputt gegangen. Denn plötzlich war ein merkwürdiges, gleichmäßiges Heulen zu hören.

„Wou-wou-wou hat es gemacht“, berichtet Kalinowski. Erst später kam ihm der Gedanke, dass die Geräusche vom neuen Windpark kommen könnte.

Der Welleröder lag richtig: Dort hatte bei dem Unwetter um kurz vor 23 Uhr der Blitz in ein Windrad eingeschlagen. Normalerweise ist von der Windräder nur ein leises Summen zu hören, wenn man in der Nähe der Anlage steht.

„Mir hat das keine Ruhe gelassen und am Samstagmorgen bin ich gleich hingelaufen, um nachzusehen“, erzählt Kalinowski. Am Windpark auf dem Warpel hatten die Mitarbeiter des Herstellers Vestas da bereits die Unfallstelle abgesperrt und das kaputte Windrad ausgestellt. Sie waren zudem auf der Suche nach der Ursache für den Blitzschlag.
Windrad© SchachtschneiderAbgesperrt: Der Bereich um das kaputte Windrad (links im Bild der Mast) wurde am Samstag aus Sicherheitsgründen dicht gemacht. Techniker der Herstellerfirma Vestas begannen mit der Suche nach der Ursache für den Schaden.

Denn eigentlich hätte das gar nicht passieren dürfen. Jedes Windrad ist mit einem Blitzschutz ausgestattet, erklärt Ingo Pijanka, Sprecher der Städtischen Werke, die den Windpark betreiben.

Warum das Schutzsystem nicht funktioniert hat, sei derzeit noch völlig unklar. Auch zur Höhe des Schadens konnte Pijanka noch keine Angaben machen. Klar ist, dass der Blitz ein etwa drei Meter langes Stück von der Spitze eines der drei Roterblätter abgefetzt hat. Betroffen ist das von der Landstraße aus gesehen hinterste der insgesamt fünf Windrädern. Die Anlage ist erst Mitte Dezember fertig geworden und befindet sich nach laut Werke-Sprecher Pijanka noch im Probebetrieb.

Rechtlich gesehen gehöre die Anlage noch dem Hersteller Vestas, die Abnahme habe noch nicht stattgefunden. Insofern entstünden den Städtischen Werken keine Kosten für die Behebung des Schadens. „Dennoch ist das Ganze natürlich auch für uns sehr unerfreulich“, sagte Pijanka.

Das kaputte Windrad wurde am Samstag außer Betrieb genommen. Für den Fall das weitere Teile des Flügels abfallen, wurde weiträumig abgesperrt. Bis der Flügel repariert ist, speisen in dem neuen Windpark nur noch vier Räder Energie ein.

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Experte zu Einschlag in Windräder: Blitze sind im Winter besonders stark

Kassel. Ein Blitz trifft ein Windrad im Windpark in der Söhre. Die Folge: Ein drei bis fünf Meter langes Stück eines Flügels bricht ab. Wir sprachen mit Prof. Albert Claudi, Leiter des Fachgebiets Elektrische Anlagen und Hochspannungstechnik der Uni Kassel über die Risiken eines solchen Einschlags.

Windräder stehen ja in der Regel auf Anhöhen oder freiem Feld und ragen hoch hinaus. Besteht da nicht ständig eine Einschlaggefahr bei Gewitter?

Prof. Albert Claudi: Das stimmt. Deshalb müssen sie auch mit einem Blitzschutz ausgestattet werden. Jedes Windrad kriegt schätzungsweise einmal im Jahr einen Blitzschlag ab. Denn der Blitz, der von einer Wolke auf die Erde heruntergeht, sucht sich den kürzesten Weg zu einem hoch aufragenden Gegenstand.

Wie funktioniert ein Blitzableiter beim Windrad?

Claudi: Am Ende der Rotorblätter gibt es Rezeptoren, die den Blitzstrom über den Rotor und den Mast des Windrads ableiten in die Erde. So entsteht am Windrad und seinen Komponenten kein Schaden. Blitzableiter bei Windrädern sind viel komplizierter als beispielsweise bei einer Kirche, wo man einfach vom Turm runter in die Erde ableiten kann. Beim Windrad muss der Blitzstrom erst über drei sich drehende Achsen gelenkt werden.

Wie kann es sein, dass der Blitz im neuen Windpark in der Söhre trotzdem Schaden angerichtet hat?

Claudi: Wenn der Blitzschutz ordnungsgemäß installiert war und keinen Defekt hatte, muss es sich um einen außergewöhnlich starken Blitz gehandelt haben. Der Blitzschutz bei technischen Anlagen wie Windrädern oder Hochspannungsleitungen funktioniert nur bis zu einer bestimmten Stromstärke, in der Regel 100 Kiloampere, also 100.000 Ampere. Damit schützt man die Objekte vor über 99 Prozent aller Blitze. Der 100. Blitz ist aber möglicherweise stärker und schlägt dann richtig ein.

Wie stark sind den Blitze normalerweise?

Claudi: Das ist sehr unterschiedlich, es gibt ganz stromschwache mit unter 1000 Ampere, die keinen Schaden anrichten und die sogar ein Mensch überleben kann, wenn er getroffen wird. Es gibt aber ganz selten auch Blitze, die können Felsen sprengen und haben 100.000 oder mehr Ampere.

Dann wäre es also schlicht Pech, dass schon nach wenigen Wochen so ein heftiger Blitz heruntergegangen ist.

Claudi: Ja, so ist das mit der Statistik. Wenn sie noch nie Lotto gespielt haben und nach vier Wochen den Hauptgewinn ziehen, dann nennt man es Glück. Wenn nach kurzer Zeit der Blitz in ein Windrad einschlägt ist es weniger erfreulich.

Gibt es noch keine Technik, die gegen die extrem stromstarken Blitze schützt?

Claudi: Doch, man könnte auch noch gegen höhere Amperewerte schützen. Das wäre aber sehr teuer. Daher arbeiten wir mit Restrisikos. Die Blitzableiter gewährleisten in 99,9 Prozent der Fälle Schutz. Wenn dann doch mal ein Schaden eintritt, den man beheben muss, ist das rein rechnerisch immer noch günstiger als alle Anlagen mit dem extrem aufwändigen Spezialschutz auszustatten.

Nun wirkten Donner und Blitz am Freitagabend für Laien gar nicht so schlimm. Hat die augenscheinliche Heftigkeit von Gewittern nichts mit der tatsächlichen Wucht des Blitzes zu tun?

Claudi: Nein, es gibt da keinen Zusammenhang. Wir wissen, dass bei Winterstürmen besonders starke Entladungen vorkommen. Bei Sommergewittern gibt es zwar oft riesige Wolkenmassen, mehr Sturm, mehr Regen und viele Blitze. Diese sind dann aber im Einzelnen in der Regel nicht so stromstark. Im Winter hingegen baut sich die Elektrizität, die bei der Reibung von warmen und kalten Luftmassen entsteht, meist über einen längeren Zeitraum auf und entlädt sich dann entsprechend heftig.

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Nach Blitzeinschlag: Regionale Windräder werden alle zwei Jahre gewartet

Hersfeld-Rotenburg. Windkraftanlagen im Kreis Hersfeld-Rotenburg werden turnismäßig alle zwei Jahre gewartet. Das hat Peter Ross von der Oberen Bauaufsicht des Regierungspräsidiums Kassel (RP) klargestellt.

Hintergrund: Nach einem Blitzeinschlag am Wochenende war von einer neuen Anlage in der Söhre bei Kassel ein drei bis fünf Meter langes Stück eines Rotorblatts abgebrochen und zu Boden gestürzt. Verletzt wurde niemand. Die Anlagen sind mit Blitzschutzeinrichtungen ausgerüstet.

Zuständig für die Wartungsarbeiten von Windkraftanlagen sind die jeweiligen Betreiber, die in der Regel Sachverständige und Gutachter damit beauftragen. Kontrolliert werden dann „alle wichtigen mechanischen und elektrischen Teile“, wie wiederum der Homepage des Bundesverbands Windenergie zu entnehmen ist. Wie es beim Bundesverband weiter heißt, seien Elektrik und Elektronik weitaus anfälliger für Störungen als Getriebe, Rotor und Generator.

Die Wartungsintervalle für Windräder sind laut Peter Ross mit zwei Jahren deutlich kürzer als bei anderen sogenannten Sonderbauten – dort gelten fünf Jahre. Die Ergebnisse der Prüfungen laufenüber die Schreibtische der Oberen Bauaufsicht.

Nach Angaben des RP Kassel gibt es im Kreis Hersfeld-Rotenburg derzeit 28 genehmigte Windkraftanlagen.

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Unfälle können passieren

Schwalm-Eder. In ein Windrad in der Söhre hat am Wochenende ein Blitz eingeschlagen, dabei brach ein Stück eines Rotorblattes ab. Jetzt kommt die Frage auf, wie sicher Windkraftanlagen sind und ob solch ein Schaden auch im Schwalm-Eder-Kreis auftreten könnte. Das Fazit der Experten: Fehler können immer auftreten.

Helmut Lompe aus Borken betreibt über die Rudewig und Lompe Energie GmbH insgesamt 71 Anlagen von der Nordseeküste bis hin nach Bayern – sechs Anlage davon stehen im Gilserberger Hochland, sie werden erneuert. Die neuen Windräder erreichen eine Höhe von 138 Metern, die alten waren 100 Meter hoch.

Lompe war zwar überrascht, als er von dem Blitzschaden in Söhrewald las, doch: „So etwas kommt schon mal vor.“ Theoretisch könne ein extrem starker Blitz den Schutz des Blitzableiters unterlaufen. Die Windparks sind gegen solche Schäden versichert. In Gilserberg schlossen die Investoren einen Vertrag mit dem Hersteller ab, der Wartung, Instandhaltung und Reparatur absichert.

Bricht ein Teil des Rotorblattes ab, kann es bei Sturm passieren, dass der Abriss ein Stück fliegt. Verletzt wurde in Söhrewald niemand. „Eine Absperrung der Windparks ist nicht gefordert“, sagte Helmut Lompe. Warnschilder stehen vor den Parks.

Werner Braun, Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft Schwalm-Knüll, sagte zum Bericht über den Blitzschaden in Söhrewald: „Überrascht bin ich nicht, schließlich ist nichts vor Blitzeinschlag sicher“, so Braun, „obwohl es spezielle Schutzvorrichtungen gibt.“ Die Energiegenossenschaft projektiert Windparks zwischen Schwalm und Knüll.

Die Sicherheit der Anlagen werde im Zuge der Baugenehmigung überprüft, eine Versicherung sei obligatorisch. Auch ist nach dem Wissen des Aufsichtsratsvorsitzenden keine Absperrung rund um Windparks vorgeschrieben.

Michael Conrad, Pressesprecher Regierungspräsidium (RP) Kassel, sagte auf Söhrewald bezogen: „Unfälle können immer passieren.“ Allerdings ist vorgegeben, dass die Windkraftanlagen in regelmäßigen Abständen überprüft und gewartet werden – dazu zählt auch der Blitzschutz. In der Söhre handelt es sich allerdings um eine neue Anlage.

Im Landkreis sollen mehrere Flächen neu für Windräder zur Verfügung gestellt werden. Der Entwurf des Regionalplans wird derzeit im RP überarbeitet und erneut offengelegt. Erst danach stehen die endgültigen Gebiete fest.

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Wind behindert Aufklärung: Ursache für Blitzeinschlag weiter unklar

Kassel / Söhrewald. Wie konnte es zu dem Blitzeinschlag in den Flügel des Windrads in der Söhre kommen? Auch am fünften Tag nach dem Gewitter, bei dem der Blitz die Spitze eines Rotorblatts abgefetzt hat, ist diese Frage weiterhin völlig ungeklärt.

„Die Untersuchungen laufen unter Hochdruck“, sagte Heidi Hamdad, Sprecherin der Städtischen Werke, gestern auf Anfrage der HNA.

Allerdings sei es für eine nähere Inspektion des beschädigten Windrads erforderlich, dass sich ein Spezialist abseile. „Das geht bei den derzeit starken Winden nicht“, sagte Hamdad. Die Windräder sind 196 Meter hoch. Die Nabe, an der die Rotorblätter befestigt sind, liegt in 140 Metern Höhe.

Alternativ könne man für die genauere Inspektion des Windrads einen Spezialkran oder eine Hebebühne einsetzen, aber diese seien auf die Schnelle nicht zu beschaffen. Daher sei das Ausmaß der Schäden, die der Blitz angerichtet hat, im Detail noch nicht bekannt. Wenn neben dem Rotorblatt auch die Elektronik des Windrads durch den Blitzstrom beschädigt worden ist, dürfte der Schaden in Millionenhöhe gehen. Warum der Blitzableiter seinen Dienst versagte, ist ebenfalls noch ungeklärt.

Zwar sind die Blitzableiter von Windrädern kein hundertprozentiger Schutz vor Schäden. Für extrem stromstarke Blitze, die sehr selten vorkommen, sind die Schutzvorrichtungen nicht ausgelegt. Bei dem Blitz, der am Freitagabend gegen 22.50 Uhr in den Flügel des Windrads einschlug, handelte es sich laut einem Wettergutachten, das der HNA vorliegt, aber nur um einen mittelstarken Blitz von 25 Kiloampere.

Zu der Frage, warum dennoch der Flügel zerstört wurde, äußerten sich der Hersteller Vestas und die Städtischen Werke bisher nicht. Man werde ebenfalls ein Blitzgutachten einholen, dieses liege aber noch nicht vor, sagte Werke-Sprecherin Heidi Hamdad. „Solange wir keine Details kennen, werden wir nicht wild über mögliche Ursachen spekulieren.“

Derzeit ist die beschädigte Anlage außer Betrieb, die anderen vier Windräder auf dem Warpel drehen sich weiter. Das kaputte Rotorblatt werde ersetzt, sobald man ein Ersatzteil in die Söhre schicken könne, sagte ein Sprecher von Vestas (Dänemark). Einen Zeithorizont nannte er nicht. Für den Schaden wird die Firma Vestas aufkommen, die noch Eigentümer der Anlage ist, die seit dem Jahreswechsel in Betrieb ist. Die Städtischen Werke, künftiger Betreiber des Windparks, haben die Windräder aber noch nicht vom Hersteller abgenommen. Solange die Ursache für den Blitzschaden nicht geklärt ist, wird das wohl auch nicht passieren.


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