October 14, 2013
Germany

Windenergie Roter Milan und Rotoren

Von Christine Setzwein - 13 Oktober 2013 - sueddeutsche.de

Red Kites and Rotors

Ein Milan in seinem Revier (Foto: picture alliance / dpa)

Ein Milan in seinem Revier (Foto: picture alliance / dpa)

Es ist ganz schön was los in der Luft über dem südlichen Landkreis. Habicht und Mäusebussard, Rohrweihe und Sperber, Kolkraben, Lachmöwen, Weißstorch, Graureiher und Kranich fliegen dort. Auch der Rotmilan, der Wespenbussard und der Schwarzmilan jagen und brüten im Gebiet zwischen Grafrath, Inning und Wörthsee. Das freut die Ornithologen. Nicht so die Initiatoren der Energiewende und mögliche Investoren. Denn geschützte Vögel und Windräder vertragen sich nicht besonders.

Das Gutachten des anerkannten Münchner Büros GFN bestätigt das, wovor Landschaftsarchitekt Dietmar Narr bereits vor zwei Jahren gewarnt hatte. Am Martinsberg auf Inninger Flur, vom Landkreis Starnberg als Konzentrationsfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen, könnte es allein schon wegen des Roten Milans zu “Problemen” kommen. Diplom-Biologe Bahram Gharadjedaghi von GFN kommt zu dem Ergebnis, dass das von ihm untersuchte 17 Quadratkilometer große Gebiet zwischen Grafrath, Bachern, Etterschlag und Inning als “sehr konfliktträchtig” einzuschätzen sei, was den Bau von Windrädern angeht. Große Teile der Konzentrationsfläche seien wegen der Nähe zum Horst des Rotmilans beziehungsweise zu seinen regelmäßig genutzten Jagdgebieten sowie wegen der noch geringeren Entfernung zum vermutlichen Nistplatz des Wespenbussards “als Tabuflächen” anzusehen.

Ein Jahr lang, von Ende Juli 2012 bis Ende Juli 2013, waren die Mitarbeiter des Umweltplanungsbüros auf dem Areal unterwegs. Sie verfolgten die Flugrouten der geschützten Greifvögel und beobachteten sie mit Fernglas und Spektiv. Insgesamt unternahmen die Biologen 18 Kartiergänge. Dabei sahen sie 15 Mal den Rotmilan, vor allem südlich der Lindauer Autobahn. In diesem Gebiet wurde auch heuer ein Nest gefunden, freilich “ohne Bruterfolg”. Das, so vermuten die Wissenschaftler, könnte an dem starken Dauerregen im Frühjahr liegen. Durch den vielen Plastikmüll, den die Vögel in ihr Nest einbauen, könnten die Jungen wegen des Wasserstaus erfroren oder ertrunken sein. “Mit großer Wahrscheinlichkeit” befindet sich das Hauptjagdgebiet dieses Rotmilanpaars nördlich des Nestes: zwischen Inning und dem Mauerner Wald. Nach den Beobachtungen eines Landwirts vom Gut Arzla brütet der Rotmilan seit 20 Jahren in dem Gebiet.

Das GFN-Gutachten hat die “Interessengemeinschaft (IG) Windrad-Kessel Etterschlag” in Auftrag gegeben. Rund um den Wörthseer Ortsteil befinden sich die meisten Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen, die der Landkreis Starnberg gemeinsam mit allen Gemeinden in einem Teilflächennutzungsplan ausgewiesen hat. Mitglieder der IG haben das Gutachten bereits an die Gemeinde Inning und im Landratsamt Starnberg an Landrat Karl Roth übergeben.

Auswirkungen auf die Planung habe die knapp 30 Seiten starke Expertise nicht, sagt Innings Vize-Bürgermeister Werner Bleimaier. Inning im Westen ist neben Berg om Osten des Fünfseenlands am weitesten mit den Windkraft-Plänen. Die Grundstücke habe man gesichert. Allerdings gibt es noch keinen Bauantrag für eines oder mehrere Windräder. Die Rede ist vom bis zu vier Anlagen, die auf dem Höhenrücken vom Martinsberg bis zur Gemeindegrenze Grafrath Platz hätten.

Auf die Windkraftplanung im Landkreis Starnberg habe dieses Gutachten keine Auswirkungen, sagte ein Sprecher von Landrat Karl Roth. Es habe höchstens hinweisenden Charakter für die Gemeinde Inning. Aber: “Die Expertise bestätigt uns.” Denn von Anfang an sei klar gewesen, dass man bei den Konzentrationsflächen in Inning und Etterschlag “genau hinschauen muss”. Das freilich sei die Aufgabe des Investors. Jeder, der ein Windrad bauen möchte, muss vorher eine artenschutzrechtliche Untersuchung machen lassen. Und die dauert ein Jahr.


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